OLG Bamberg: Werbung mit Testergebnisse

OLG Bamberg, Urteil vom 19.3.2014 - Az. 3 U 206/13

Zum Sachverhalt

 

Der Verfügungskl. (im Folgenden: Kl.) ist der Verband W  e. V. Der Verfügungsbekl. (im Folgenden: Bekl.), der eine Versandapotheke betreibt, schaltete in der Ausgabe 6/2013 der Zeitschrift „T.“ eine Anzeige, in der er unter anderem mit Testergebnissen der Stiftung A und des I für Service-Qualität für sein Unternehmen warb. Die Fundstellenangabe zu den beiden Testergebnissen ist jeweils in einer Schrift gehalten, die ca. vier Punkte groß ist. Der Kl. ist der Ansicht, dass der durchschnittliche Leser der Werbeanzeige die Fundstellenangaben nicht leicht und eindeutig entziffern könne. Nach der Rechtsprechung sei im Regelfall eine Schriftgröße von mindestens 6 Punkten zu fordern. Die Werbung des Bekl. verstoße daher ua gegen die §§ 3, 5 a II UWG. Der Kl. mahnte den Bekl. deshalb mit Schreiben vom 25.6.2013 ab. Der Bekl. gab die geforderte Unterlassungserklärung nicht ab.

Der Kl. hat am 9.7.2013 den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Bekl. beantragt. Das LG hat die Verfügung am 9.7.2013 antragsgemäß erlassen und den Beschluss dem Kl. am 12.7.2013 zugestellt. Der Kl. hat eine Ausfertigung des Beschlusses am 15.7.2013 dem Bekl. persönlich zugestellt. Am 16.7.2013 hat er eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses dem Beklagtenvertreter – der sich bereits vorgerichtlich dem Kl. gegenüber angezeigt hatte – von Anwalt zu Anwalt zugestellt. Der Bekl. hat Widerspruch mit der Begründung eingelegt, dass die Zustellung unwirksam gewesen und die Vollziehungsfrist des § 929 II ZPO daher abgelaufen sei. Zudem bestehe der Verfügungsanspruch im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BGH nicht. Die Fundstellen seien hinreichend lesbar. Das LG hat mit Endurteil vom 22.10.2013 die einstweilige Verfügung vom 9.7.2013 aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung beantragt der Kl. ordnungsgemäß, das Urteil des LG Bamberg aufzuheben soweit die Klage abgewiesen wurde und dem Ag. bei Vermeidung der üblichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr für seine Versandapotheke mit der Wiedergabe von Testurteilen zu werben, ohne die Fundstelle der Veröffentlichung des Tests in leicht und eindeutig lesbarer Druckgröße wiederzugeben. Die Berufung des Kl. hatte Erfolg.

 

Aus den Gründen

II. Das LG hat die einstweilige Verfügung vom 9.7.2013 zu Unrecht wegen Ablaufs der Vollziehungsfrist aufgehoben. Sie ist durch den Senat neu zu erlassen, weil dem Kl. gegen den Bekl. sowohl ein Verfügungsanspruch zusteht als auch vom Bestehen eines Verfügungsgrundes auszugehen ist:

1. Die Zustellung der einstweiligen Verfügung an den Beklagtenvertreter am 16.7.2013 – und damit innerhalb der einmonatigen Vollziehungsfrist der §§ 936, 929 II ZPO – ist wirksam gewesen.

a) Zwar kann die Zustellung unwirksam sein, wenn die übersendete Abschrift unvollständig ist. Dies gilt allerdings nur bei wesentlichen Mängeln. Kleine Fehler und geringfügige Abweichungen schaden nicht, wenn der Zustellungsempfänger aus der ihm zugestellten Abschrift den Inhalt der Urschrift und den Umfang seiner Beschwer bzw. den Inhalt und die Reichweite des Verbots erkennen kann (BGH, NJW-RR 2000, 1665; BGH, NJW 2001, 1653; BGH, NJW-RR 2005, 1658 Rn. 8; OLG Köln, NJW-RR 2010, 864; OLG Frankfurt a.  M., GRUR-RR 2011, 340 Rn. 7). Abzustellen ist insoweit darauf, ob ein mit dem Streitstoff Vertrauter der ihm zugegangenen Abschrift die tragenden Entscheidungsgründe entnehmen kann (BGH, NJW-RR 2000, 1665).

b) Ausgehend von den vorstehend wiedergegebenen Grundsätzen ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Zustellung wirksam gewesen ist, weil der Bekl. der seinem Prozessbevollmächtigten zugestellten Abschrift trotz der dieser beigegebenen unvollständigen Kopie der Anlage A1 hat entnehmen können, welchen Inhalt und welche Reichweite das ihm auferlegte Verbot hat. In der Begründung des Beschlusses vom 9.7.2013 wird unmissverständlich ausgeführt, welches Verhalten der Bekl. unterlassen soll, nämlich die Fundstellen zu den in seiner Werbung enthaltenen Testergebnissen in einer zu kleinen Schriftgröße anzugeben. Aus der ihm unstreitig zugegangenen Antragsschrift vom 4.7.2013, die Bestandteil der einstweiligen Verfügung gewesen ist, ist zu entnehmen, dass es um die vom Bekl. in der Zeitschrift „T.“, Ausgabe 6/2013, auf S. 111 geschaltete Werbeanzeige geht, die in der Anlage A 1 wiedergegeben ist. Zudem folgt daraus, dass es um die beiden in der Werbung enthaltenen Testsiegel geht. Zusätzlich hat der Bekl. eine – im für das Verbot maßgeblichen Teil lesbare – Kopie der Anlage A 1 erhalten, in der zumindest eine Verletzungshandlung – die Werbung mit dem Testsiegel der Stiftung A – enthalten ist. Es hat insoweit lediglich die zweite, vom Vorwurf jedoch identische Verletzungshandlung gefehlt.

c) Soweit der Beklagtenvertreter daneben noch geltend gemacht hat, dass die Zustellung schon deshalb unwirksam sei, weil der Kl. ihm nicht die Ausfertigung, sondern lediglich eine beglaubigte Abschrift zugestellt habe, ändert dies nichts an der wirksamen Zustellung. Nach der Rechtsprechung des BGH genügt die Zustellung einer beglaubigten Abschrift (BGH, NJW 2004, 506 Rn. 25 – Euro-Einführungsrabatt).

2. Dem Kl. steht gegen den Bekl. der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus den §§ 5 a II, 3 II, 8 III Nr. 2 UWG zu:

a) Nach den §§ 5 a II, 3 II UWG ist es als unlauter anzusehen, wenn Testergebnisse zur Werbung verwendet werden und der Verbraucher nicht leicht und eindeutig darauf hingewiesen wird, wo er nähere Angaben zu dem Test erhalten kann. Erforderlich ist insoweit, dass die in die Werbung aufgenommenen Angaben über Testurteile leicht und eindeutig nachprüfbar sind. Das setzt nicht nur voraus, dass überhaupt eine Fundstelle für den Test angegeben wird, sondern auch, dass diese Angabe für den Verbraucher auf Grund der Gestaltung der Werbung leicht auffindbar ist (BGH, GRUR 2010, 248 Rn. 30 – Kamerakauf im Internet). Eine leichte Auffindbarkeit in diesem Sinne bedingt auch, dass die Fundstellenangabe ausreichend deutlich lesbar ist (KG, GRUR-RR 2011, 278 = MD 2011, 342 Rn. 8; OLG Celle, GRUR-RR 2011, 278 = MD 2011, 436 Rn.7; OLG Stuttgart, MD 2011, 543 = BeckRS 2011, 14105 Rn. 40 ff.; OLG Bamberg, MD 2011, 805 = BeckRS 2011, 23517 Rn. 7; OLG Hamburg, MD 2012, 506 = BeckRS 2012, 09718 Rn. 15).

b) Den Anforderungen an die Lesbarkeit der Fundstellen der Testergebnisse wird die streitgegenständliche Werbung nicht gerecht.

Es kann dabei dahinstehen, ob sich auf die Anforderungen an die Lesbarkeit die Grundsätze übertragen lassen, die in der Rechtsprechung des BGH zu § 4 IV HWG aufgestellt worden sind (BGH, GRUR 1987, 301 – 6-Punkt-Schrift). Auch wenn man dies mit der neuen Rechtsprechung des BGH zur Preisangabenverordnung (BGH, GRUR 2013, 850 Rn. 12  ff. – Grundpreisangabe im Supermarkt) verneinen wollte, wird die streitgegenständliche Werbung auch den dort genannten Anforderungen an die Lesbarkeit nicht gerecht. Danach entspricht eine Preisangabe dem Gebot der deutlichen Lesbarkeit, wenn sie von einem Verbraucher mit normaler Sehkraft aus angemessener Entfernung ohne Hilfsmittel und ohne Mühe gelesen werden kann. Die Frage, ob eine Angabe diese Voraussetzungen erfüllt, ist unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen, wobei neben der Schriftgröße auch das Druckbild, dh ua die Wort- und Zahlenanordnung, die Gliederung, das Papier, die Farbe sowie der Hintergrund von Bedeutung sind; außerdem ist der Abstand zu berücksichtigen, aus dem der Verbraucher die Angabe liest (BGH, GRUR 2013, 850 Rn. 13).

Danach ist die streitgegenständliche Werbung nach Auffassung des Senats nicht hinreichend lesbar. Die verwendete Schriftgröße von nur ca. vier Punkten ist derart klein, dass sie bei dem Leseabstand, den man beim Lesen einer Zeitschrift üblicherweise einnimmt, nicht mühelos gelesen werden kann. Die Schrift verschwimmt und wird unscharf, was durch den Hintergrund und das Druckbild, die nicht sehr kontrastreich sind, noch verstärkt wird. Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Text der Fundstellenangaben kurz und von seinem Inhalt her leicht zu verstehen ist. Gleichwohl kann der Text erst dann ohne Mühe gelesen werden, wenn man den normalen Leseabstand deutlich verkürzt.

3. Der Verfügungsgrund ist zu bejahen. Für den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch greift die tatsächliche Vermutung des § 12 II UWG ein, die der Bekl. nicht widerlegt hat.

Stichworte: Testergebnisse, Fundstelle, Lesbarkeit, Schriftgröße 4 Punkt


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