BGH: Werbung für Neubau

BGH, Beschluss vom 26.4.1990 - Az. I ZR 58/89

 

Zum Sachverhalt

 

I.

Der Kläger, ein Verein, der satzungsgemäß u.a. Verstöße gegen lauteren Wettbewerb verfolgt, hat die Beklagte, ein Baubetreuungsunternehmen, im Klagewege auf Unterlassung einer Immobilienwerbung in Anspruch genommen, aus der nicht ersichtlich war, daß die angebotenen Objekte noch nicht fertiggestellt waren.

 

Die - als irreführend nach § 3 UWG - beanstandete Werbung der Beklagten war in Form einer Kleinanzeige in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung erfolgt, die wie folgt gestaltet war:

 

 

Wegen dieser Anzeige war die Beklagte durch eine Konkurrentin abgemahnt worden, der gegenüber sie sich - deren Verlangen folgend - zur Abgabe einer (in Höhe von 3.000,-- DM für jeden Zuwiderhandlungsfall) strafgesicherten Unterlassungsverpflichtungserklärung unterworfen hatte. Der Kläger, der - ohne Kenntnis von dieser Unterwerfung - in seiner späteren Abmahnung eine Sicherung durch eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,-- DM gefordert hatte, hat, als seine Abmahnung unbeantwortet blieb, Klage auf Unterlassung erhoben, wobei er Festsetzung des Streitwerts auf 240.000,-- DM angeregt und zugleich einen Antrag auf Ermäßigung dieses Streitwerts zu seinen Gunsten auf 37.500,-- DM gestellt hat.

 

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Den Streitwert hat es durch Beschluß vom 5. Februar 1988 entsprechend den Anträgen des Klägers festgesetzt.

 

Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.

 

Den Streitwert des Verfahrens hat das Berufungsgericht - teils in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts - durch Beschluß vom 19. Januar 1990 wie folgt festgesetzt:

 

Ausgangswert gemäß § 3 ZPO

240.000,-- DM;

 

ermäßigter Wert (für beide Instanzen und beide Parteien) in Anwendung des § 23 a UWG

120.000,-- DM;

 

Begünstigung des Klägers nach § 23 b UWG

51.000,-- DM.

 

Im Revisionsverfahren, das durch Nichtannahmebeschluß des erkennenden Senats vom 8. März 1990 in der Sache abgeschlossen worden ist, hatte der Kläger zunächst wiederum Streitwertbegünstigung nach § 23 b UWG beantragt. Die Beklagte hat den Antrag gestellt, den Streitwert des Revisionsverfahrens auf 50.000,-- DM festzusetzen.

 

Auf einen Hinweis des Senats, daß eine Neufestsetzung des Streitwerts des gesamten Verfahrens erwogen werde, hat der Kläger seinen Streitwertbegünstigungsantrag zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe


II.

Der Streitwert ist gemäß § 3 ZPO - teils in Abänderung der abweichenden Entscheidung des Berufungsgerichts gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 GKG - einheitlich auf 50.000,-- DM für alle Instanzen festzusetzen. Die abweichende Festsetzung des Berufungsgerichts erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil der angenommene Ausgangsstreitwert von 240.000,-- DM in dem maßgeblichen Interesse des Klägers keine Rechtfertigung findet und die Voraussetzungen einer Streitwertermäßigung gemäß den §§ 23 a, 23 b UWG nicht vorliegen.

 

1. Maßgeblich für die Streitwertschätzung gemäß § 3 ZPO ist bei einer auf Unterlassung einer irreführenden Werbung gestützten Klage das Interesse, das der Kläger - bzw. seine Mitglieder und die Allgemeinheit, deren Interesse er wahrnimmt - an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße hat bzw. haben (vgl. im einzelnen BGH GRUR 1968, 106, 107 - Ratio Markt). Dieses Interesse wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für die Träger der maßgeblichen Interessen, bestimmt. Der Grad der Interessengefährdung hängt jedoch nicht allein - wie das Berufungsgericht angenommen zu haben scheint - vom Wert der in unlauterer Weise beworbenen Verkaufsobjekte und den im Verkaufsfalle erzielbaren Gewinnen des Werbenden ab. Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, in welchem - auch räumlichen - Umfang und mit welchem Auffälligkeitsgrad überhaupt geworben worden ist und welche Bedeutung dabei der beanstandeten Irreführung innerhalb der Gesamtwerbung zukommen konnte. Hierfür ist auch darauf abzustellen, ob es sich um eine ausdrückliche, grobe Falschangabe handelt oder ob eine Irreführung sich lediglich als unrichtige Schlußfolgerung des Adressaten aus den Umständen der Werbung - als Folge des Unterlassens einer zur Vermeidung solcher Folgerungen notwendigen Klarstellung - ergibt. Vor allem aber ist bedeutsam - wenngleich oft von der vorerwähnten Voraussetzung mit abhängig -, in welchem Maße gerade die irreführende Angabe innerhalb der Werbung geeignet war, den Verkehr in einem seinen Kaufentschluß erheblich beeinflussenden Sinne zu täuschen.

 

Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist im vorliegenden Fall kein besonders hoch zu veranschlagendes Unterlassungsinteresse des Klägers erkennbar. Die Werbung war in der Kleinanzeige einer Zeitung mit jedenfalls überwiegend regional begrenzter Verbreitung erfolgt; der Irrtum über den Charakter der Bauobjekte als noch unfertig konnte sich für den Leser allenfalls im Wege eines - nicht zwingenden - Fehlschlusses aus dem Fehlen entsprechender Angaben ergeben, und die Schädlichkeit der Folgen des Fehlschlusses halten sich deshalb in verhältnismäßig engen Grenzen, weil den Interessenten, die nur an bereits fertiggestellten Objekten interessiert sind, außer der Notwendigkeit einer - dann zur Aufklärung führenden - Anfrage kaum ein weiterer Schaden entstehen konnte und weil solche Interessenten, die nicht unbedingt an einem schon fertigen Objekt interessiert sind, unter Umständen - jedenfalls in gewissem Umfang - auch dann auf die Anzeige positiv reagiert haben könnten, wenn letztere den Projektcharakter klar verdeutlicht hätte.

 

Bei einem so geringen Gesamtgefährdungsgrad, für den weiter auch das Fehlen von Anzeichen für ein vorsätzliches Handeln des Verletzers spricht, erweist sich der vom Kläger angegebene und von den Vorinstanzen übernommene Ausgangsstreitwert von 240.000,-- DM als weit übersetzt. Eine Bemessung dieses Werts in Höhe von 50.000,-- DM - wie von der Beklagten vorgeschlagen - erscheint angemessen und ausreichend.

 

2. Für die Anwendung der §§ 23 a, 23 b UWG besteht unter den gegebenen Umständen keine Veranlassung.

 

a) Der Antrag des Klägers auf Streitwertbegünstigung nach § 23 b UWG ist für die Revisionsinstanz zurückgenommen und vom Berufungsgericht in Höhe eines Betrags beschieden worden, der den jetzt angenommenen Gesamtstreitwert noch etwas überstiegen hat. Der Kläger wird daher durch die Abänderung des Beschlusses des Berufungsgerichts nicht beschwert, so daß es keiner Entscheidung darüber bedarf, ob bzw. gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen § 25 Abs. 1 Satz 3 GKG auch die Abänderung einer Teilstreitwertfestsetzung nach § 23 b zum Nachteil des ursprünglich Begünstigten erfassen und rechtfertigen könnte.

 

b) Die Voraussetzungen des - im Gegensatz zu § 23 b UWG - von Amts wegen zu prüfenden und unabhängig von der Frage des Obsiegens der einkommens- und vermögensschwachen Partei anzuwendenden Vorschrift des § 23 a UWG liegen nicht vor. Weder ist - wie schon die Inanspruchnahme von drei Instanzen erkennen läßt - die Sache nach Art und Umfang im Sinne dieser Vorschrift "einfach gelagert", noch erfüllt der Kläger die Voraussetzungen der zweiten Ermäßigungsalternative der Vorschrift. Dem Senat sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Klägers aus mehreren anderen Verfahren (insbesondere I ZR 52/86, GRUR 1988, 918 = WRP 1988, 662 - Wettbewerbsverein III; I ZR 56/89, WRP 1990, 255 - Wettbewerbsverein IV) bekannt. Nach ihnen ist seine Belastung mit den Prozeßkosten nach dem vollen Streitwert - auch für den hierbei zu unterstellenden Fall seines Unterliegens oder seiner Inanspruchnahme als Zweitschuldner - keineswegs als "nicht tragbar" im Sinne des § 23 a UWG anzusehen, so daß es bei dem nach § 3 ZPO als angemessen geschätzten Ausgangsstreitwerts von 50.000,-- DM für alle Instanzen zu verbleiben hat.

NJW-RR 1990, 1322

Stichworte: Neubau, Immobilie, nicht fertiggestellt, Irreführung, Streitwert, Streitwertherabsetzung


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